4 | 5E d i t o r i a l Der Datenschutz im Jahr 2013 stand ganz im Zeichen der Geheimdienstaffären. Bürger und Unternehmen sind verunsichert. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft müssen die Vertrauenskrise zum Anlass nehmen, gemeinsam neue Lösungen zu entwickeln, fordert Dr. Thomas Kremer, Vorstand Datenschutz, Recht und Compliance. Ein Weckruf, ein Paukenschlag, ein Erdbeben. Mögen manche Experten auch sagen, dass sie die Enthüllungen Edward Snowdens nicht überrascht haben. Die breite Medienberichterstattung über die Aktivitäten der NSA und ihrer Verbün- deten bedeutete aber zweifellos eine Zäsur in der Debatte um Datenschutz und IT-Sicherheit in Deutschland. Nie zuvor hatten diese Themen so große öffentliche Aufmerksamkeit. Gleichzeitig ist das Vertrauen der Bevölkerung in Telekommunikation und Internet deutlich zurückgegangen. Aus Sicht der Telekom ist die Balance von Sicherheit und Freiheit aus dem Lot geraten, wenn Geheimdienste persön liche Daten massenweise und anlasslos ausspionieren und speichern. Man kann Freiheit nicht verteidigen, indem man die Persönlichkeitsrechte außer Kraft setzt. Die Telekom hat deshalb klar Position bezogen und sich so viel Kritik einge- handelt. Mit bloßen Aufklärungsappellen an die Politik wollten wir uns aber nicht zufriedengeben. Wir verstehen es als unseren Auftrag, die persönlichen Daten unserer Kunden zu schützen. Es gibt einiges, was wir konkret tun können, um das Vertrauen der Men- schen zurückzugewinnen. Die bessere Verschlüsselung von E-Mails und Handy- gesprächen ist eine Maßnahme, welche die Telekom sofort umgesetzt hat. Auch der Vorschlag für ein Internet der kurzen Wege lässt sich schnell und einfach realisieren. Warum muss eine E-Mail von Bonn nach Köln über London oder New York geleitet werden? Natürlich sind wir uns darüber im Klaren, dass durch die Verkehrsführung alleine das Sicherheitsproblem nicht gelöst wird. Die Telekom setzt sich seit Jahren für die europäische Datenschutzgrundverord- nung ein. Wir brauchen in Europa einheit- liche und hohe Datenschutzstandards, die zudem dann auch für außereuropäische Anbieter gelten, wenn sie ihre Dienste in Europa anbieten möchten. Die Debatte um die Grundverordnung wird uns auch 2014 weiter begleiten. Das Gleiche gilt für die Vorratsdatenspeicherung: Das Bundesverfassungsgericht und jüngst auch der Europäische Gerichtshof setzen dem Gesetzgeber für die europäische und die deutsche Ebene Grenzen. Das reflektiert die hohe Bedeutung, die dem Schutz der Persönlichkeitsrechte in Euro- pa beigemessen wird. Die Diskussion, auf wie viel Freiheit zugunsten der Sicherheit verzichtet werden soll, ist längst nicht zu Ende geführt. In der Europäischen Union sollten wir zudem vollständig auf die ge- genseitige Bespitzelung verzichten. Und wir brauchen ein Safe-Harbor-Abkom- men, das diese Bezeichnung verdient. Die USA sind für die Daten europäischer Bür- ger derzeit alles andere als ein sicherer Hafen. Die Politik wird also nicht aus der Verantwortung genommen werden kön- nen, wenn es darum geht, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen. Aber auch die Unternehmen können mehr tun: Wir als Deutsche Telekom sind gefordert, Datenschutz und IT-Sicherheit als Wettbewerbsvorteile auszubauen. Da- für müssen hohe Standards von Anfang an in die Entwicklung neuer Produkte und Dienste integriert werden. Ein Beispiel dafür kann die Weiterentwicklung euro- päischer Cloud-Dienste sein. Zudem stellt sich die Frage, wie wir verantwortlich mit den technischen Möglichkeiten umgehen, welche die Massenauswertung von Daten (Big Data) bietet. Und ganz oben auf der Agenda bleibt weiterhin der gemeinsa- me Kampf gegen Cyberkriminalität und Wirtschaftsspionage. Wie können wir vor allem Unternehmen im Mittelstand besser für die Gefahren von Cyberkriminalität sensibilisieren? Und welche konkreten Lösungen bieten wir als Schutz für Geschäfts- und Privatkunden an? Der Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik muss inten- siviert werden. Die Telekom wird sich weiterhin für den Austausch einsetzen und beispielsweise mit der Münchner Sicherheitskonferenz den Cyber Security Summit fortsetzen. Es gibt durchaus die Chance, den Skan- dal zum Ausgangspunkt einer positiven Entwicklung zu machen. Die Telekom hat damit jedenfalls gute Erfahrungen ge- macht. Ja, die Enthüllungen von Edward Snowden waren ein Weckruf. Jetzt geht es darum, nicht wieder einzuschlafen. Dr.ThomasKremer ist seit Juni 2012 Vorstand Datenschutz, Recht und Compliance bei der Deutschen Telekom AG. Zuvor arbeitete der Jurist als Generalbevollmächtigter für die ThyssenKrupp AG, wo er 2003 die Leitung des Rechtsbereichs übernahm. 2007 ernannte ihn der ThyssenKrupp Konzern zum Chief Compliance Officer. ZUR PERSON „Die Enthüllungen von Snowden waren ein Weckruf!“